Durch eine
Vorschrift des HaustürWG (§ 5 II) hatte der Gesetzgeber
Verbraucherkreditverträge aus dem Anwendungsbereich des HaustürWG
herausgenommen. Wenn also ein Verbraucherkredit gleichzeitig ein
Haustürgeschäft darstellte, sollte ausschließlich das Verbraucherkreditgesetz
a. F. (im Folgenden: VerbrKredG) gelten. Ein eventueller Widerruf war also
nur nach dem VerbrKredG, nicht aber nach dem HaustürWG möglich. In seiner
Heininger-Entscheidung (Urteil vom 13.12.2001, Rs
C-481/99; BGH, NJW 2002, 281) hat der Europäische Gerichtshof
aber klargestellt, dass eine solche Ausklammerung nicht mit dem
Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren ist. Wenn also ein Kreditvertrag an der
Haustüre abgeschlossen wird, dann muss er auch als Haustürgeschäft behandelt
werden und unterliegt auch dem dortigen Widerrufsrecht. Dieser Vorgabe musste
sich der BGH beugen und hat durch Urteil vom 09.04.2002 (BGH, Urteil vom 9.
April 2002 - XI ZR 91/99; BGH, NJW 2002, 1881) entschieden, dass auch
Verbraucherdarlehen nach dem HaustürWG widerrufen werden können. Dies gilt
uneingeschränkt für nahezu jedes Verbraucherdarlehen, egal, ob es
grundpfandrechtlich gesichert ist oder nicht. Die eigentlichen Probleme
beginnen erst jetzt.
Ausgangspunkt ist
das sog. „verbundene Geschäft“ bzw. die „wirtschaftliche Einheit“ des
Kreditvertrages mit einem anderen Vertrag. Meist werden Kredite nicht einfach
aus „Jux und Dollerei“ aufgenommen. In der Regel finanziert der Darlehensnehmer
mit dem geliehenen Geld den Kauf eines bestimmten Gutes. Dies kann in den hier
interessierenden Fällen ein Hausgrundstück, eine Wohnung oder die Beteiligung
an einem Fonds sein. Wenn nun das finanzierte Geschäft und der Darlehensvertrag
in bestimmter Weise miteinander verknüpft sind, liegt ein „verbundenes
Geschäft“ bzw. eine „wirtschaftliche Einheit“ vor. Die Voraussetzungen sind in
§ 9 VerbrKredG geregelt. Wenn nun ein „verbundenes Geschäft“ vorliegt und das
Darlehen auch nach dem HaustürWG wirksam widerrufen wurde, dann sind die
Rechtsfolgen für den Darlehensnehmer recht günstig. Er bekommt nämlich seine
Zins- und Tilgungsleistungen zurück, muss der Bank im Gegenzug aber nicht die
Darlehensvaluta zurückzahlen, sondern kann dieser das mit dem „verbundenen
Geschäft“ erworbene Gut übertragen. Jetzt könnte man sich fragen, wo liegt das
Problem?
Das Problem liegt
in § 3 II Nr. 2 VerbrKredG. Dort steht nämlich – vereinfacht wiedergegeben – ,
dass § 9 VerbrKredG auf grundpfandrechtlich gesicherte Kredite (sog.
Realkredite) nicht anwendbar ist. Wer also ein Hausgrundstück oder eine
Wohnung gekauft, und das Darlehen durch eine Grundschuld oder Hypothek
abgesichert hat, der kommt nicht in den Genuss des § 9 VerbrKredG. Bei einem
Widerruf nach dem HaustürWG (dieser ist nicht ausgeschlossen!!!) kann der
Darlehensnehmer der Bank also nicht das erworbene Gut anbieten. Rechtsfolge
eines Widerrufs wäre vielmehr, dass der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta
sofort in voller Höhe an die Bank zurückzahlen muss. So jedenfalls der XI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofes. Natürlich sind die Zins- und Tilgungsleistungen
zu Gunsten des Darlehensnehmers abzuziehen (denn diese bekommt er ja ebenfalls
zurück). Doch ist die Differenz in der Regel so groß, dass dem Darlehnsnehmer
meist nur geraten werden, das Widerrufsrecht nicht auszuüben.
Verständlicherweise
hagelte es von Seiten der Verbraucherschützer und den Anwälten, die
Darlehensnehmer vertreten, Kritik. Denn was soll der Darlehensnehmer mit einem
dem Verbraucherschutz dienenden Widerrufsrecht, wenn ihn die Rechtsfolgen eines
solchen Widerrufs härter treffen würden als ein Festhalten am Vertrag? Ob sich
die Situation der Darlehensnehmer verbessert, kann u. a. auch von einer
weiteren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Rs. C-229/04)
abhängen, die für Herbst oder Winter diesen Jahres zu erwarten ist. Dann wird
sich der Gerichtshof nämlich mit der obigen Kritik auseinandersetzen müssen.
Mancher wird sich
jetzt fragen, was das alles mit der im Titel genannten Entscheidung des XI.
Zivilsenates vom 20.04.2004 zu tun hat? Wieso sollte diese Entscheidung weiterhelfen,
wo es doch der XI. Zivilsenat ist, der die für die Anleger so negativen Urteile
gefällt hat? Die möglicherweise für viele Darlehensnehmer rettende Antwort
lautet: unwirksame Zahlungsanweisung.
Viele Darlehen,
auch grundpfandrechtlich gesicherte, werden von der Bank überhaupt nicht an den
Darlehensnehmer ausgezahlt. Oft erteilt der Darlehensnehmer zur Vereinfachung
der Zahlungsabwicklung seiner Bank eine „Auszahlungsanweisung“. Diese zahlt den
Darlehensbetrag dann direkt an den Verkäufer des Grundstücks, einen Treuhänder
oder sonstigen Dritte. Eben den, den der Darlehensnehmer benennt. Nun kann es
vorkommen, dass eine solche Zahlungsanweisung aus verschiedenen Gründen
unwirksam ist. Ist dies der Fall, so erfolgt die Rückabwicklung eines
gleichzeitig nichtigen oder unwirksamen Darlehensvertrages nach der gefestigten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 14.05. 2002 – XI ZR
148/01; Urteil vom 03.02.2004 – XI ZR 125/03; Urteil vom 30.03.2004 – XI ZR
145/03) nicht ausschließlich zwischen Darlehensnehmer und Bank. Zwar kann
der Darlehensnehmer die Zins- und Tilgungsleistungen von der Bank
zurückverlangen. Doch muss sich die Bank ihrerseits an den Dritten halten. Sie
kann das von ihr ausgezahlte Geld nicht beim Darlehensnehmer holen. Das
liegt letztlich daran, dass der Darlehensnehmer selbst überhaupt kein Geld von
der Bank bekommen hat. Weil die Zahlungsanweisung unwirksam ist, muss er sich
auch nicht so behandeln lassen, als hätte er das Geld erhalten. Der
Bundesgerichtshof führt hierzu in ständiger Rechtsprechung (s. o.) aus:
„Die Darlehenssumme ist aufgrund der – unwirksamen –
Anweisung (...) nicht an den Kläger, sondern letztlich an andere Beteiligte
ausgezahlt worden. Nur diese Zuwendungsempfänger kann die Beklagte auf
Rückerstattung der Darlehensvaluta in Anspruch nehmen“
In der in Rede
stehenden Entscheidung vom 20.04.2004 hat der XI. Zivilsenat dies nochmals
bestätigt und zudem wie folgt ausgeführt:
„Weder war es zwischen den Vertragsparteien beabsichtigt, noch war es
dem Kläger rechtlich möglich [Hervorhebung durch den Verfasser], die
Beklagte aufgrund des hier nichtigen Darlehensvertrages zu irgendwelchen
Zahlungen an die Verkäuferin anzuweisen.“
Mithin ist bei einem nichtigen oder unwirksamen
Darlehensvertrag schlechthin nicht möglich eine wirksame Zahlungsanweisung zu
erteilen. Dies ist auch korrekt. Denn wie soll ein Darlehensnehmer seiner Bank
sagen können, wohin sie Geld zahlen soll, auf das er wegen des nichtigen
Darlehensvertrages gar keinen Anspruch hat. Deswegen spielt es auch keine
Rolle, warum der Darlehensvertrag unwirksam oder nichtig ist. Wenn er es ist,
kann nicht wirksam angewiesen werden.
Und nun kommt wieder das HaustürWG ins Spiel. Denn hierzu
muss man in rechtlicher Hinsicht Folgendes wissen: Nach der hier maßgeblichen
Fassung des HaustürWG ist eine im Rahmen einer Haustürsituation abgegebene
Willenserklärung zunächst unwirksam (!!!). Sie wird erst wirksam, wenn
innerhalb einer Wochenfrist kein Widerruf erfolgt. Des weiteren läuft
die Widerrufsfrist nur dann, wenn eine ordnungsgemäße Belehrung erteilt wurde.
Ist die Belehrung daher falsch – was bei den meisten Darlehensverträgen der
Fall sein dürfte – , dann kann der Darlehensvertrag niemals wirksam werden.
Prinzipiell bedarf es gar keines Widerrufs mehr. Denn der Widerruf macht nach
der Gesetzessystematik ja nur Sinn, wenn die Frist läuft. Denn dann verhindert
er das Wirksamwerden des Vertrages mit Fristablauf.
Wenn nun aber der Darlehensvertrag wegen der oben
dargestellten Rechtslage nach dem HaustürWG von Beginn an nichtig bzw.
unwirksam ist, dann kann auch keine wirksame Zahlungsanweisung erteilt werden.
Mithin wäre der Darlehensnehmer in diesem Falle nicht zur Rückzahlung der
Darlehensvaluta verpflichtet, könnte von der Bank seinerseits aber Rückzahlung
der Zins- und Tilgungsleistungen verlangen. Die Bank müsste sich an den Dritten
halten.
Wer also ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen im
Rahmen einer Haustürsituation abgeschlossen hat, sollte nicht den Kopf in den
Sand stecken, sondern prüfen, ob die Bank das Geld seinerzeit direkt an einen
Dritten ausgezahlt hat oder nicht. Möglicherweise ist ihm dadurch mehr geholfen
als durch die noch ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes.
Mathias Corzelius
Rechtsanwalt
– Kanzlei Göddecke, Siegburg |