I. Grundlegendes
1. Begriff der Verjährung
Es ist allgemein anerkannt,
dass alleine der Zeitablauf, unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien,
die Rechtslage verändern kann. So kann er Rechte entweder begründen oder
entkräften. Bei der Verjährung ist letzteres der Fall: Die Verjährung –
geregelt in den §§ 194ff. BGB – ist der Zeitablauf, aufgrund dessen der
Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern. Rechtstechnisch ist die
Verjährung als Einrede ausgestaltet. Das bedeutet, der Schuldner muss sich auf
die Verjährung berufen. Nimmt er diese Verteidigungsmöglichkeit nicht wahr,
kann er trotz eingetretener Verjährung zur Zahlung verpflichtet werden.
Rechtlich betrachtet führt
die Verjährung nicht zum Erlöschen des Anspruchs, sondern gewährt dem Schuldner
nur ein Leistungsverweigerungsrecht[1]. Damit
bleibt der Anspruch des Gläubigers bestehen[2], kann
jedoch nicht durchgesetzt werden, sofern die Einrede erhoben wird. Faktisch
läuft dies zwar auf das Gleiche hinaus, rechtlich bestehen jedoch einige
Unterschiede. Beispielsweise kann der Schuldner, der in Unkenntnis der
Verjährung zahlt, diese Leistung nicht zurückverlangen[3]. Auch
kann unter bestimmten Voraussetzungen mit einer bereits verjährten Forderung
aufgerechnet werden.
2. Zweck der Verjährung
Das Verjährungsrecht hat
verschiedene Ziele. Wesentliche Ziele sind der Schuldnerschutz und der Gedanke
des „Rechtsfriedens“.
Auch wenn dies merkwürdig
erscheinen mag, hat die Verjährung vor allem den Zweck, dem fälschlich in
Anspruch Genommenen die Abwehr unbegründeter Ansprüche zu erleichtern. Dieses Korrektiv ist notwendig, da er Schuldner, anders als der
Gläubiger, nur abwarten kann, ob und wann er ggf. in Anspruch genommen wird. Erhebt
der Gläubiger Klage gegen den vermeintlichen Anspruchsgegner, so kann es für
diesen mit fortschreitender Zeit immer schwieriger werden, sich gegen die Klage
zu verteidigen, beispielsweise weil ihm die
Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhanden gekommen oder Zeugen
nicht mehr auffindbar sind[4].
Die Motive zum BGB sprechen in der ihr eigentümlichen Sprache des ausgehenden
19. Jahrhunderts in diesem Zusammenhang von der „verdunkelnden Macht der Zeit“[5].
Doch auch der tatsächliche
Schuldner bedarf des Schutzes vor allzu später Inanspruchnahme[6]. So
kann nicht von ihm erwartet werden, dass er unbegrenzt Rücklagen für nicht
geltend gemachte Forderungen bildet. Daher muss es ihm ab irgendwann alleine
aufgrund des Zeitablaufs möglich sein, den Anspruch ohne ein Eingehen auf die
Sache zurückzuweisen. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass ihm selbst Regressmöglichkeiten verloren gehen können.
Eine weitere wesentliche
Funktion ist der Gedanke des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit[7]. Denn
Zustände, die längere Zeit unangefochten bestanden haben, müssen im Interesse
des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit als zu Recht bestehend anerkannt
werden. Gerechtfertigt ist diese Einschränkung dadurch, dass der Gläubiger den
Verlust seiner Rechte durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs
verhindern kann.
II. Einfluss des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (01.
Januar 2002)
1. „alte“ Rechtslage
Im Zuge der
Schuldrechtsmodernisierung wurde gerade auch das Verjährungsrecht einer
umfassenden Reform unterzogen. Grund dafür war eine allgemeine Unzufriedenheit
mit dem alten System, das seine Wurzeln noch im 19. Jahrhundert hatte. Die Zeit
hatte gezeigt, dass dieses den Anforderungen eines modernen technisierten
Rechts- und Wirtschaftsverkehrs nicht gewachsen war. So galt früher eine
30jährige Regelverjährung, die sicherlich zu lang bemessen war. In Einzelfällen
wurde diese Frist zwar abgekürzt. Dieser „Katalog“ stand aber schon lange nicht
mehr mit den tatsächlichen Bedürfnissen im modernen Rechtsverkehr in Einklang.
Dies zeigte schon ein Blick in das Gesetz, wonach der nicht schienengebundene
Güter- und Personenverkehr von „Frachtfuhrleuten“, „Lohnkutschern“ und „Boten“
bewältigt werden sollte. Flugzeuge als regelmäßige Beförderungsmittel
einzusetzen war für die damalige Zeit sicherlich ähnlich phantasievoll, wie der
Gedanke, dass Willens- und Wissenserklärungen per Fax oder gar per e-Mail
übertragen werden können.
Daneben gab es auch andere
Verjährungsfristen, die sicherlich eindeutig zu kurz bemessen waren[8].
Zudem gab es auch ein für Juristen häufig nur schwer durchschaubares Netz von
sich überschneidenden Verjährungsfristen, die eine Rechtsanwendung erschwerten.
Dies ging nicht selten auch zu Lasten der Rechtssicherheit.
2. Struktur der aktuellen Rechtslage
Durch das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist die regelmäßige Verjährung[9] von
30 Jahren auf drei Jahre verkürzt worden[10].
Dieser Einschnitt ist jedoch weniger gravierend als es zunächst den Anschein
macht. Denn im Gegensatz zur früheren Rechtslage wird die Zeit, die der
Gläubiger benötigt, um von den Voraussetzungen seines Anspruchs und der Person
seines Schuldners Kenntnis zu erlangen, nicht von dieser Dreijahresfrist
erfasst. Dieses Ergebnis wird durch eine Modifizierung des Fristbeginns
erzielt.
a) subjektives Kriterium
Früher kam es für den Beginn
der Verjährungsfrist alleine auf die Entstehung des Anspruchs an. Dieses
objektive Kriterium wird um ein weiteres, subjektives Merkmal ergänzt. Denn
nach § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährung erst mit Ende des Jahres, in
dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch
begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder
ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Eine Verjährung kommt für
solche Ansprüche also immer erst zum Ende des Jahres in Betracht, unabhängig
davon, ob der geschädigte Anleger am 05. Januar oder am 25. Dezember Kenntnis
von diesem Umständen erhält[11].
b) Kenntnis der anspruchsbegründenden
Umstände
Erforderlich ist die
Kenntnis, bzw. die grobfahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden
Tatsachen[12].
Dagegen kommt es in der Regel nicht darauf an, ob der Gläubiger aus seiner
Kenntnis der Tatsachen die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht[13].
Doch welches sind nun die
Umstände, auf die es ankommt. Abstrakt lässt sich diese Frage verhältnismäßig
einfach beantworten. Der Gläubiger muss die Tatsachen kennen, bzw. infolge
grober Fahrlässigkeit nicht kennen, die die Voraussetzungen der
anspruchsbegründenden Norm erfüllen. Dazu gehört bei
Schadensersatzansprüchen die Kenntnis
von der Pflichtverletzung, der Eintritt eines Schadens und die Kenntnis von der
eigenen Schadensbetroffenheit[14]. Wie
diese Merkmale jedoch auf Schadensersatzansprüche geschädigter Kapitalanleger
anzuwenden sind, ist im Einzelfall schwierig und wird detaillierter unter 2.,
c) behandelt.
c) Kenntnis von der Person
des Schuldners
Weitere Voraussetzung ist,
dass der Gläubiger Kenntnis von der Person des Schuldners hat. Dazu gehört
insbesondere auch der Name und die vollständige Anschrift des Schuldners, so
dass eine Klagezustellung möglich wäre[15].
Dabei kann beispielsweise auch die Angabe der Arbeitsstelle genügen[16].
d) Grobfahrlässige Unkenntnis
Die grob fahrlässige
Unkenntnis steht der positiven Kenntnis der o.a. Umstände rechtlich gleich.
Grob fahrlässig handelt danach der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis auf einer
besonders schweren Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht[17]. Dem
Gläubiger muss auch subjektiv ein schwerer Verstoß zur Last fallen. Dabei sind
allerdings an den Verbraucher geringere Anforderungen zu stellen, als an den
Unternehmer[18].
Insoweit werden also geschädigte Anleger zumindest ansatzweise privilegiert.
Wann genau eine grobe Fahrlässigkeit
anzunehmen ist, wurde durch die Rechtsprechung bisher nicht konkretisiert.
Betrachtet man sich allerdings eine Parallelregelung im „alten“ Recht[19], so
wird die Verjährung sicherlich trotz fehlender Kenntnis dann eintreten, wenn
sich der Geschädigte die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe
und Kosten beschaffen kann, sich vor einer sich aufdrängenden Kenntnis
missbräuchlich verschließt oder auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeiten
nicht nutzt (ausführlich dazu unter III.)
e) Ergänzung des
subjektiven Systems durch absolute Verjährungshöchstfristen
Ergänzt wird das zuvor
dargestellte subjektive System durch kenntnisunabhängige absolute
Verjährungshöchstfristen. Diese Beschränkung trägt wiederum dem Gedanken des
Rechtsfriedens Rechnung, da insoweit eine unbeschränkte zeitliche Ausdehnung
verhindert wird[20].
Soweit es um Schadensersatzansprüche, beispielsweise infolge einer fehlerhaften
Anlageberatung durch den Vermittler geht, verjähren diese Ansprüche
ohne Rücksicht auf die Kenntnis
oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
ohne Rücksicht auf ihre
Entstehung und die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis von der
Begehung der Pflichtverletzung an.
III. Verjährungsbeginn
bei Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Anlageberatung
Wie bereits zuvor angedeutet,
ist es gerade bei wirtschaftlich komplexen Kapitalanlagen schwer, den Zeitpunkt
zu bestimmen, in dem der geschädigte Anleger Kenntnis von sämtlichen, den
Anspruch begründenden Tatsachen hat. Folgende Umstände sind nach der bisherigen
Rechtsprechung[21]
nicht ausreichend, um eine solche Tatsachenkenntnis
annehmen zu können:
Verlust des investierten
Kapitals
Rückzahlung lediglich eines
Teils des investierten Kapitals in einem Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren
Zeugenvernehmung im
Strafprozess gegen die Initiatoren der Kapitalanlage
Wie diese Aufzählung zeigt,
war die bisherige Rechtsprechung zugunsten der geschädigten Anleger recht großzügig.
Abzuwarten bleibt dabei
auch, wie die Rechtsprechung das Kriterium der „groben Fahrlässigkeit“ in
Zukunft ausgestalten wird. So wäre es mit dem Gesetzeswortlaut durchaus zu
vereinbaren, dass durch eine Ausdehnung des subjektiven Systems gleichzeitig
ein verbreiterter Anwendungsbereich erreicht wird. Unter Umständen kann es bei
dieser Sichtweise – im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage – grob fahrlässig
sein, wenn der Geschädigte darauf verzichtet ein gegen den Schädiger anhängiges
Strafverfahren und dessen Ausgang zu verfolgen.
Diese extensive Auslegung
ist jedoch keineswegs zwingend und war wohl auch nicht beabsichtigt. So ging es
bei der Reform – ausweislich der Gesetzesmaterialien[22] – darum,
die Fälle zu legitimieren, die von der Rechtsprechung bereits im Rahmen von §
852 BGB a.F. der positiven Kenntnis gleichgestellt worden sind, weil der
Gläubiger es versäumt hatte, gleichsam auf der Hand liegende
Erkenntnismöglichkeiten wahrzunehmen und deshalb das Sichberufen auf Unkenntnis
als Förmelei erschien[23]. Bei
dieser Sichtweise ist der geschädigte Anleger zwar nicht schlechthin gehalten,
umfängliche Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die
Person seines Schuldners anzustellen. Allerdings wird man eine Obliegenheit
dahingehend annehmen können, sich zumindest über die Umstände zu informieren,
bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist.
Danach dürfte es einem
geschädigten Anleger nicht zuzumuten sein, einen Rechtsanwalt einzuschalten,
damit dieser Einblick in Ermittlungsakten nimmt[24].
Ebenso wird man kaum verlangen können, dass sich der Anleger eine umfangreiche
Anklageschrift beschafft und diese durcharbeitet, bzw. durch einen Rechtsanwalt
prüfen lässt[25].
Dagegen dürfte es in Zukunft zumindest „grob fahrlässig“ sein, wenn dem geschädigten
Anleger zwar die Adresse, bzw. der Aufenthaltsort des Vermittlers unbekannt
sind, er sich diese Information aber ohne besondere Mühe und nennenswerten
Kostenaufwand verschaffen kann. Dies dürfte beispielsweise dann der Fall sein,
wenn der Vermittler einen eigenen Internetauftritt hat oder der Anleger die
Mobilnummer kennt und er durch einen Anruf und entsprechende Nachfrage die
Adresse feststellen kann.
Ein anderes Problem, das
sich in diesem Zusammenhang stellt ist, dass es regelmäßig um
Aufklärungspflichtverletzungen geht. In diesem Fall beginnt die Verjährung
erst, wenn der geschädigte Anleger Kenntnis von den Umständen hat, aus denen
sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt[26]. Wann
dies der Fall ist, hängt wiederum vom Einzelfall und der Komplexität der
getätigten Anlage zusammen. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass Anleger
zumindest die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Anlage kennen muss, aus denen
sich die Aufklärungspflichtverletzung ergibt. Ist dem Anleger beispielsweise bei
einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds eine „garantierte
Ausschüttung von 7%“ versprochen worden, so dürfte die Kenntnis der Tatumstände,
bzw. die grobfahrlässige Unkenntnis dann vorliegen, wenn die Ausschüttung nicht
mehr in dieser Höhe erfolgt. Für unzureichend hat es dagegen die Rechtsprechung
angesehen, als ein geschädigter Anleger im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens
einen Fragebogen zu seiner Kapitalanlage von der Polizei übersandt bekommen hat[27].
IV. Die Verjährungshysterie oder „Sind alle
Ansprüche, die vor 2002 entstanden sind zum 31. Dezember 2004 verjährt?“
1. Problemstellung
Die Schuldrechtreform hat zu
den zuvor beschriebenen Einschnitten des Verjährungsrechts geführt. Damit
stellt sich die Frage, wie sich diese Änderungen auf die Verjährung von
Schadensersatzansprüchen auswirken.
In diesem Zusammenhang sind
drei Konstellationen denkbar, von denen nur eine wirklich einer gesetzlichen
Regelung bedarf.
Der Schadensersatzanspruch
des geschädigten Anlegers ist bereits vor in Kraft treten der
Schuldrechtsreform zum 01. Januar 2002 verjährt gewesen. Hier findet
selbstverständlich das bisherige Recht Anwendung und es bleibt bei der
Verjährung. Der Neuregelung kommt somit keine Rückwirkung zu.
Entstehen Ansprüche erst
nach dem 01. Januar 2002, so ist ebenfalls klar, dass ausschließlich neues
Recht anwendbar ist.
Problematisch ist alleine
der Fall, dass der Anspruch vor dem 01. Januar 2002 entstanden, aber unter
Geltung des „alten“ Rechts noch nicht verjährt ist. Für diese „Problemfälle“
stellt das Gesetz mit Art. 229 § 5 EGBGB eine Regelung zur Verfügung.
2. Umsetzung
Für am 01. Januar 2002
bestehende, aber noch nicht verjährte Ansprüche gilt nach Art. 229 § 6 Abs. 1
EGBGB das neue Verjährungsrecht, allerdings mit drei Einschränkungen.
So richtet sich der Beginn
der Verjährung für solche Ansprüche, die vor dem 01. Januar 2002 bereits
entstanden sind, nach dem alten Recht.
Verlängert das neue Recht
die Verjährung gegenüber der bisherigen Rechtslage, bleibt dennoch die kürzere
Frist maßgeblich. Diese Vorschrift dient dem Schuldnerschutz, kommt allerdings
nur zum Tragen, wenn durch die Reform die neue gegenüber der früheren
Verjährungsfrist verlängert worden ist. Prominentestes Beispiel ist die
Ausdehnung der kaufrechtlichen Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwei
Jahre.
In der Mehrzahl der Fälle
hat die Schuldrechtsreform die Verjährungsfristen abgekürzt. Dies gilt
insbesondere auch für die Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung. Während
diese Ansprüche früher in 30 Jahren verjährten, gilt nunmehr eine Dreijahrsfrist
mit relativem Fristbeginn sowie die absolute Verjährungshöchstgrenze von zehn
Jahren. Die starre Anwendung dieser Regelung könnte jedoch zur Folge haben,
dass die neuere kürzere Frist bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits abgelaufen
ist. Dieses unbillige Ergebnis wird dadurch vermieden, dass die kürzere Frist
erst am 01. Januar 2002 zu laufen beginnt. Dagegen bleibt die Verjährungsfrist
des alten Rechts maßgeblich, wenn diese vorher abläuft.
3. Beispiele
Im Folgenden soll nun anhand
einiger Beispiele die Problematik der Überleitungsvorschrift plastisch
dargestellt werden. Diese Frage ist insbesondere deswegen so brisant, weil
viele Ansprüche geschädigter Anleger aus der Zeit vor dem 01. Januar 2002
stammen und möglicherweise bald verjähren oder bereits zum 31. Dezember 2004
verjährt sind.
In unserem Beispiel soll der
Anleger am 01. August 1992 aufgrund einer fehlerhaften Aufklärung zu einer
unrentablen Kapitalanlage bewegt worden sein.
Bis zum 31. Dezember 2001
verjährte dieser Anspruch in 30 Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Demnach
wäre die Verjährung mit Ablauf des 31. Juli 2022 eingetreten.
Da die Frist verkürzt worden
ist, bestimmt sich aber die Verjährung jetzt ab dem 01. Januar 2002 nach dem
neuen Recht. Damit tritt die Verjährung frühestens zum 31. Dezember 2004
(Ablauf der kenntnisabhängigen relativen Frist) und spätestens am 31. Dezember
2011 (Ablauf der absoluten Verjährungshöchstfrist) ein.
Ob dieser Anspruch
tatsächlich schon zum 31. Dezember 2004 verjährt ist, kommt auf die Umstände
des Einzelfalls an. Hatte der geschädigte Anleger bereits bis spätestens zum
31. Dezember 2001, also noch vor Inkrafttreten der Neuregelung, die erforderliche
Tatsachenkenntnis, begann die Dreijahresfrist am 01. Januar 2002 zu laufen und
endete am 31. Dezember 2004. Erlangte der geschädigte Anleger jedoch erst am
02. Januar 2002 die notwendige Kenntnis, begann die Frist erst mit Ablauf des
31. Dezember 2002 zu laufen und endet demnach erst am 31. Dezember 2005.
Erfährt der Anleger jedoch erst im Laufe dieses Jahres, dass er nicht ordnungsgemäß
aufgeklärt worden ist, beginnt die Frist erst mit Ablauf des 31. Dezember 2005
und endet daher erst in drei Jahren, also am 31. Dezember 2008.
Hätte die Falschberatung mit
einer Verjährungsfrist von 30 Jahren allerdings schon am 01. August 1973
stattgefunden, wäre die Verjährung schon mit Ablauf des 31. Juli 2003 eingetreten.
Maßgebend ist in diesem Fall das alte Recht, da die Anwendung der
Fristenkombination des neuen Rechts vorliegend zu einer Verlängerung der Verjährung
führen würde (Ablauf der relativen Frist frühestens zum 31. Dezember 2004;
Ablauf der absoluten Verjährungshöchstfrist spätestens zum 31. Dezember 2011)[28].
Dr. Roland Fritzen
Rechtsanwalt –
Kanzlei Göddecke, Siegburg
[1] Palandt/Heinrichs, Kommentar zum Bürgerlichen
Gesetzbuch, 64. Auflage 2005, vor § 194, Rn.5; Anwaltkommentar/Mansel/Stürner, vor §§ 194 – 218, Rn. 19.
[2] Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 214, Rn.5;
Anwaltskommentar/Mansel/Stürner, § 214, Rn. 2.
[3] Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 214, Rn.4;
Anwaltskommentar/Mansel/Stürner, § 214, Rn. 7.
[4] BGHZ 122,
241 (244); BGH ZIP 2003, 524 (526); Larenz, Allgemeiner
Teil des Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., S. 240, 241; Tiedke, JZ 2003, 1070.
[6] BGHZ 128,
74 (82f.); Palandt/Heinrichs, a.a.O.
vor § 194, Rn. 8.
[7] BGHZ 59, 72
(72); 128, 74 (82); Palandt/Heinrichs,
vor § 194, Rn. 9.
[8] In erster
Linie ist hier die sechsmonatige Verjährung für kaufrechtliche
Gewährleistungsansprüche zu nennen.
[9] Der sog.
„regelmäßige Verjährung“ unterfallen auch die Schadensersatzansprüche
geschädigter Kapitalanleger gegenüber den Verkäufern und Vermittlern eine
Kapitalanlage.
[10] Neben der
regelmäßigen Verjährung gibt es in anderen Zusammenhängen selbstverständlich
noch andere Verjährungsfristen, z.B. der kaufrechtliche
Gewährleistungsanspruch, der innerhalb von zwei Jahren verjährt. Diese
Sonderverjährungen sind allerdings nicht Gegenstand dieser Ausführungen.
[11] Etwas
despektierlich bezeichnet man dies auch als die sog. „Sylvesterregelung“.
[12] BGH ZIP
2002, 1289 (1291); MüKo/Grothe,
Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1a, 4. Auflage, 2003, §
199, Rn. 25; Palandt/Heinrichs,
a.a.O., § 199, Rn. 27.
[13] BGH NJW
1994, 3162 (3164); MüKo/Grothe,
a.a.O., § 199, Rn. 26 m.w.N.
[14] BGH NJW
1996, 117 (118); Palandt/Heinrichs,
a.a.O., § 199, Rn. 27.
[15] BGH NJW
2001, 1721; Staudinger/Peters, Julius
von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und
Nebengesetzen, Buch 1, §§ 164 – 240 BGB,13. Auflage 2004, § 199, Rn. 48; Anwaltkommentar/Mansel/Stürner, a.a.O., § 199, Rn. 36.
[16] BGH NJW
2001, 885; Anwaltkommentar/Mansel/Stürner, a.a.O., § 199, Rn. 36.
[17] Statt aller:
Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 199, Rn.
36.
[18] Anwaltkommentar/Mansel/Stürner, a.a.O., § 199, Rn. 52; Heinrichs,
BB 2001, 1417 (1418).
[19] Gemeint ist
der § 852 BGB a.F., der durch die Schuldrechtsreform außer Kraft gesetzt wurde.
Die folgenden Beispiele entstammen der Rechtsprechung zu dieser Norm.
[20] Staudinger/Peters, a.a.O., § 199, Rn. 63; Heinrichs, BB 2001, 1417 (1419).
[21] z.B. BGH
NJW-RR 1990, 606; LG Frankfurt WM 1993, 329 (330f).
[22] BT-Drucks.
14/6040, S. 108.
[24] BGH NJW
1994, 3092 (3093), MüKo/Grothe,
a.a.O., § 199, Rn. 28.
[25] BGH VersR
1995, 551 (552).
[26] BGH ZIP
2002, 1292 (1293); ders. VersR 1995, 551 (552); Littbarski, EWiR 1990, 683.
[27] BGH NJW
1990, 2808 (2809).
[28] Heinrichs, BB 2001, 1417 (1423).
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